Die unterschlagene Dimension

Farb-Luminanz und weitere Kriterien zur Beurteilung der Farb-Qualität
von aktuellen Kino-Projektoren

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von Christoph Lehner, Berlin
(www.Kino-PC.de)


In aktuellen Projektorentests sowohl in den Printmedien als auch Online wird ein wichtiger Aspekt zur Beurteilung der Qualität von Projektoren vernachlässigt. Es handelt sich um den Aspekt der Luminanz von Primär- und Sekundärfarben. Im Folgenden werden die theoretischen Zusammenhänge dargestellt und auch praktische Hinweise zum Einsatz von Software zur Gewährleistung einer umfassenderen Farbqualität gegeben.



Inhalt/Übersicht


1. Graustufen

2. Farbraum

3. Die dritte, ‘unterschlagene’ Dimension des Farbraums: Luminanz

4. Abstimmung der Luminanz in der Praxis: Softwarelösungen

 

 


1. Graustufen

Es gehört zum Common Sense, dass jeder Projektor am Besten ab Werk perfekte Grausstufen haben sollte. Falls dies nicht der Fall ist, muss der Projektor durch Kalibrierung auf eine Farbtemperatur von 6500K abgestimmt werden. Etwas präziser geht es um die Abstimmung auf einen (Referenz-)Weißpunkt in der Nähe von 6500K, nämlich auf den so genannten D65 Weißpunkt. Die Graustufen dürfen angefangen von 0 IRE (= Video-Schwarz bzw. Dunkelgrau) bis 100 IRE (Maximalweiß) keinerlei Farbstiche, insbesondere nicht in Richtung ’Grün’, aufweisen, da das menschliche Auge bei Grün besonders empfindlich reagiert.

Glücklicherweise ist das Bewusstsein bei Käufern digitaler Projektoren in den letzten Jahren stark gestiegen, so dass von guten Händlern in der Regel der Service einer Kalibrierung angeboten wird, wenn auch eine seriöse Graustufen-Kalibrierung einiges an Zeitaufwand erfordert.

Das Mischungsverhältnis der Primärfarben R/G/B ergibt den D65-Weißpunkt, auch wenn es sich in der Praxis eher um eine ‘Weiß-Zone’ handelt. In Abbildung1 (CIE-Farb-Segel aller für das menschliche Auge wahrnehmbaren Farben) sieht man den Weiß-Punkt im Zentrum des Dreiecks. Möglichst viele verschiedene Level von Weiß (bzw. Grau) sollten möglichst nahe an diesem D65-Punkt sein. Als schwarzer Bogen von rechts unten (niedrige Farbtemperatur bei Rot) nach links unten (hohe Farbtemperatur bei Blau) ist die CCT-Kurve des idealen Körpers bei Erhitzung eingezeichnet. Wie man in Abbildung1 erkennen kann, entsteht bei der Messung der Weißpunkte unterschiedlicher Level eine Streuung (‘Gray Scatter’). Je kleiner der Bereich der Streuung und umso näher am tatsächlichen D65 Punkt, desto besser ist die Abstimmung der Graustufen.



Abbildung1:
Messergebnis der Software HCFR

 

 

2. Farbraum

Ebenso Common Sense ist heute, dass ein qualitativ herausragender Digital-Projektor neben den Graustufen auch den so genannten Farbraum präzise reproduzieren muss.

Die häufig anzutreffende Annahme, dass die Farben stimmen, nur weil die Grausstufen stimmen, ist leider in der Praxis nicht gegeben. Streng genommen müsste im Rahmen einer umfassenden Kalibrierung auch jede einzelne Primärfarbe (Rot/Grün/Blau) ähnlich wie bei der Graustufenkalibrierung abgestimmt werden. Man müsste also auch den Rot/Grün usw. -Scatter messen!

Stattdessen begnügt man sich üblicherweise beim Test von Projektoren mit der Angabe des zweidimensionalen Farbraums (was eigentlich ein Widerspruch in sich ist), der zudem nur bei einem einzigen Stimulus-Level (75% oder 100%) gemessen wird. Die Güte des Farbraums lässt sich aber nach Auffassung der bekannten Projektorentests daran ablesen, dass das gemessene Farbdreieck inklusive der Referenzpunkte der Sechs Farben (Primärfarben bzw. Sekundärfarben Cyan, Magenta und Gelb, weißes Dreieck) zum vorgegebenen Norm-Dreieck (schwarz unterliegend nur zu erahnen in Abbildung1) nahezu deckungsgleich ist. Allerdings stellt ein Dreieck eben keinen Raum dar und diese schiefe Metapher alleine ist schon ein Hinweis darauf, dass mit dieser Methode der Farbraum eben nicht hinreichend beschrieben ist.

Es geht um das zentrale Thema dieses Artikels: Es fehlt bei den üblichen Betrachtungen die Bestimmung der Luminanz der einzelnen Farben! Die Luminanz müsste - um im Bild zu bleiben - in der dritten Dimension, in Richtung zum Betrachter hin abgebildet werden. Es handelt sich um die Komponente Y in der Farbraumdarstellung xyY (vgl. Abbildung2), wobei xy erwartungsgemäß die Koordinaten der Punkte sind, die das Dreieck bilden.

Da dem CIE-Schema diese dritte Dimension fehlt, könnte man bildlich auch davon sprechen, dass das CIE-Schema als zweidimensionale Abbildung ‘helligkeitsblind’ ist.



Abbildung2:
Definition von REC709, der Farbstandard für Blu-Ray und HDTV

 


3. Die dritte, ‘unterschlagene’ Dimension des Farbraums: Luminanz Y

Der Weißpunkt D65 entsteht - wie beschrieben - durch korrekte Teilintensität der Primärfarben Rot, Grün und Blau, wobei die graphischen Darstellungen, die die Grausstufenmessung als gleich hohe Balken von R/G/B darstellen, irreführend sind, weil sie ein Mischverhältnisse aller drei Grundfarben von 100% suggerieren.

Besser ist eine neutrale Darstellung des Weißpunktes als getroffenes Fadenkreuz, wie weiter unten in Abbildung7 zu sehen (die CIE-Target-Darstellung, die sich auch für eine Repräsention von DeltaE aller Farben und Graustufen einsetzen lässt).

Die festgelegte Norm bezüglich des Referenz-Farbraums REC709 fordert eine Luminanz-Mischung für Referenz-Weiß aus exakt 21,3% Rot, 71,5% Grün sowie 7,2% Blau, was sich in Abbildung2 anhand eines gesetzten Referenz-Wertes für Weiß von 1,000 (= 100%) nachzuvollziehen lässt!

Umgekehrt folgt (allerdings eben nur theoretisch!) aus der Helligkeit von Weiß die jeweils korrespondierende Helligkeit der isolierten Primär- und Sekundärfarben. In der Praxis stellt man allerdings fest, dass erhebliche Abweichungen von den theoretisch zu erwarteten Werten gemessen werden, sogar wenn die Graustufen gut stimmen! Die Erklärung dafür, warum die theoretischen Werte in der Praxis verfehlt werden, ist vielschichtig, aber nicht überraschend: um in der Praxis nach der Theorie perfekte Werte zu erreichen, müssten alle beteiligten elektronischen Komponenten (Farb-Dekoder, Eingangsstufen etc.) und alle optischen Elemente (Farb-Panels, Polarisationsfilter) absolut linear arbeiten, was in der Praxis erfahrungsgemäß nur näherungsweise der Fall ist bzw. eben gerade weniger gute von sehr guten Projektoren unterscheidet.

Abbildung3 zeigt ein konkretes Messprotokoll für einen relativ gut eingestellten Projektor. Die Abweichungen sind in Prozent vom Sollwert angegeben. In der Praxis wurden Projektoren gemessen, die Abweichungen von bis zu 40% zum Soll in der Luminanz aufwiesen, obwohl das ‘Farbdreieck’ nahezu perfekt war. Umgekehrt kann auch der Fall auftreten, dass das Farbdreieck zwar weniger perfekt aussieht, allerdings die Luminanzen näherungsweise korrekt sind, wodurch Projektoren mit ‘erweitertem’ oder ‘schiefem’ Farbdreieck überlegen sein können! Warum dies so sein kann, lässt sich an der Messtabelle in Abbildung 4 nachvollziehen. Luminanzfehler und ‘Farbdreieck’-Fehler bilden Komponenten eines Gesamtfehlers.



Abbildung 3


Abbildung4 zeigt, wie das als Donationware weit verbreitete Programm HCFR die in Abbildung3 übersichtlich gezeigten Werte darstellt und mit bestimmten Fehlerbewertungen versieht (delta …). Es sind hier auch die Messwerte bzw. Abweichungen von den Sollwerten der xy-Koordinaten zu sehen. Abweichungen von den xy-Koordinaten werden durch den delta xy-Wert repräsentiert.



Abbildung 4


Um die Gesamtqualität des Farbraums zu erfassen, muss man - und das ist das zentrale Thema der Ausführungen - neben der Abweichung vom Farbdreieck (‘delta xy‘) auch die Abweichung von der Helligkeit (Luminanz ‘delta luma‘) genau betrachten, die eben die Abweichung von der idealen Luminanz beschreibt! Delta xy und Delta luma bilden - berechnet nach einer bestimmten Formel - das resultierende Abweichungsmaß DeltaE für die einzelnen Farben. Je nach Gewichtung in der zugrunde liegenden Formel für DeltaE (quasi je nach DeltaE-‘Maßstab‘), ergeben sich unter Umständen abweichende Werte für DeltaE. HCFR benützt zur Berechnung von ‘Gesamt’-DeltaE die Formel gemäß CIELUV. Alternativ und bei Experten heute stärker favorisiert ist die Formel gemäß CIE1994. Sowohl Calman wie auch ChromaPure verwenden im Gegensatz zu HCFR die Formel gemäß CIE1994 (vgl. Abbildung7 unten) als Standard, man kann aber auch andere Formeln, insbesondere auch CIELUV manuell wählen.

 


4. Abstimmung der Luminanz in der Praxis: Softwarelösungen

Im Folgenden wollen wir im Telegrammstil skizzieren, wie einige der bekanntesten Kalibrierungs-Pakete mit der Bestimmung der Farb-Luminanz umgehen.


a) Colorfacts (Keine Werte für Farbqualität)

Das älteste Software-Paket, quasi der Pionier, ist leider in die Jahre gekommen. Eine Unterstützung für die Messung der Luminanz der Farben ist nicht vorhanden. Es wäre nur möglich, sich selbst Tabellen aus den Rohdaten (Raw-Data-Messung) anzulegen und DeltaE nach bestimmten Formeln selbst zu berechnen. Lediglich für die Graustufen bietet Colorfacts einen DeltaE-Wert. Colorfacts bietet keine Unterstützung, was die korrekte Delta-Luma-Abstimmung betrifft und liefert lediglich das so genannte Farbdreieck (vgl. Abbildung1) als Ergebnis.


b) HCFR

HCFR liefert zwar alle relevanten Daten für die Bestimmung der Luminanz. In der Praxis ist es aber recht mühsam, Korrekturen an den Farben durchzuführen. In Abbildung4 war ein Messprotokoll von HCRF mit DeltaE-Werten für sämtliche Primär- und Sekundärfarben zu sehen. Die Mühe mit HCFR besteht darin, dass die in Abbildung4 gezeigte Tabelle immer nur durch einen kompletten Neu-Durchlauf aller Primär- und Sekundärfarben inklusive Weiß-Referenz-Messung erzeugt werden kann. Ändert man beispielsweise etwas an der Luminanz von Blau, muss man eine neue komplette Farbmessung durchführen um zu sehen, ob sich Blau ausreichend geändert hat. Da wegen der häufig in der Praxis anzutreffenden Interdependenz der Farben viele Iterationen nötig sein können, kann sich dieser Prozess unter Umständen zu einer Sysiphos-Arbeit ausweiten.


c) ChromaPure

Das neue Software-Paket ChromaPure (seit 2009) von Tom Huffman (bekannt vor allem bei Usern des amerikanischen AVS-Forums) bietet einen sehr raschen und intuitiv leicht verständlichen Zugang zu allen Aspekten der Farbkalibrierung. Insbesondere die Korrektur von Luminanzwerten lässt sich in Echtzeit, quasi bei Veränderungen innerhalb des CMS des Projektors per Dauermessung nachvollziehen.



Abbildung 5


In Abbildung5 ist ein typisches Mess-Szenario mit ChromaPure zu sehen. Nachdem einmal der Referenzpegel für Weiß gemessen wurde, kann beispielsweise abwechselnd die Luminanz von den beiden interdependenten Farben Grün und Gelb abgeglichen und gemessen werden.


d) CalMan

Besonders nützlich und umfassend auch und gerade im Zusammenhang mit der Messung der Luminanz aller Primär- und Sekundärfarben ist die Software CalMAN Professional der Firma SectraCal. In Abbildung7 ist zu sehen, wie die unterschiedlichen Aspekte zur Qualitätssicherung der Farbreproduktion in Messdiagrammen dargestellt werden. Ziel ist es, bei die DeltaE-Werte (hier nach CIE1994) möglichst für alle Farben unter einen Wert von 3 zu bekommen. Ab einem Wert von 3 und geringer gelten die Farben als so gut, dass Differenzen per menschlichem Auge nicht mehr wahrgenommen werden. In Abbildung7 sieht man sehr anschaulich, wie sich das resultierende DeltaE aus unterschiedlichen Komponenten (Delta xy im CIE Gamut graphisch repräsentiert) sowie DeltaHue und Delta-Luminanz etc. zusammensetzt.



Abbildung7:
Detailierte Farbmessung inklusive Luminanz und resultierendes DeltaE-Ergebnis


Calman ist übrigens besonders vorbildlich in Flexibilität und Layout-Anpassung und damit auch besonders für den Profi geeignet. Abbildung8 zeigt ein individuell zusammengestelltes Fenster, das Messwerte für alle Aspekte aufweist, die wir in diesem Artikel diskutiert haben, inklusive Graustufenmessung und Gamma-Kurve.



Abbildung8

 


Fazit

Während in aktuellen Projektorentests der Farbraum auf das so genannte Farbdreieck reduziert wird (wodurch sich nach unserem Darlegungen nur ein Teil der Farbqualität ablesen lässt), plädieren wir für eine Berücksichtigung auch der von uns so genannten dritten Dimension des Farbraums, der Luminanz. Dass dieser Aspekt bisher kaum Beachtung findet, liegt wohl auch an der hohen Verbreitung der Software Colorfacts, die dafür bisher keinerlei Unterstützung bietet.

Nicht ausführlich diskutiert haben wir den Umstand, dass auch die Farbqualität genau wie die Qualität der Graustufen für unterschiedliche Stimulus-Level (bei Grau von 0 bis 100 IRE) getestet werden muss. Als ersten Schritt zur Verbesserung bietet sich an, die Farbqualität nicht nur bei 75% Stimulus, sondern auch bei 100% wie auch 50% zu messen, wobei nur wenige sehr hochwertige Displays überhaupt dazu in der Lage sind, die selben Qualitätsstandards für alle Stimulus-Level zu gewährleisten.


Christoph Lehner, Berlin
(www.Kino-PC.de)



Links:

Calman/SpectraCal: http://www.spectracal.com/
ChromaPure: http://www.chromapure.com/
Colorfacts: http://spyder.datacolor.com/product-ht-cfp.php
HCFR: http://www.homecinema-fr.com/

 

 

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